Innovative Formen der Kooperation bringen nicht nur zündende Ideen, sondern auch marktfähige Produkte hervor. Dies bewies das Projekt „Industry meets Makers“ eindrucksvoll. Am 19. Oktober präsentierte die Initiatorin des Projektes, Sandra Stromberger, die Ergebnisse, die Industriepartner und Makerszene gemeinsam erarbeitet haben. Beim Industry meets Makers-Finale mit dabei: T-Mobile’s IoT-Box, die gleich fünf Tüftler-Teams zu kreativen Lösungen inspirierte.

Neue Partnerschaften führen zu neuen Ideen

„Neue Industriepartner haben mich schon angesprochen, sie wollen, dass es weiter geht“, ließ am Abend des 19. Oktobers eine sichtlich glückliche Sandra Stromberger von der Bühne des Festsaales der TU Wien aus ihr Publikum wissen. Glücklich vor allem deshalb, weil aus ihrem Projekt Industry meets Makers, von dem sie selbst nicht wusste, wie es sich entwickeln würde (siehe Interview), viele reife Früchte hervorgebracht wurden. Die beste davon ist wohl die, dass die etablierten Unternehmen bzw. Konzerne, die sich auf das Projekt eingelassen haben und ein Briefing abgegeben haben, einen neuen Weg gefunden haben, Innovationen zu entwickeln. Und zwar mithilfe von Bastlern, Tüftlern und Kreativen, mit denen sie sonst wohl nie in Kontakt gekommen wären. Diese „Makers“ wiederum waren froh, die Ressourcen und das Wissen der Großen anzapfen zu können, um ihre Ideen zu den gestellten Aufgaben realisieren zu können.

Bunter Strauß an kreativen Lösungen

Die Anzahl der greifbaren und teilweise schon nutzbaren Lösungen, die an diesem Abend präsentiert wurden, war eindrucksvoll. Schließlich läuft das „Industry meets Makers“-Projekt erst seit April dieses Jahres.

Fische und Gemüse aus der Stadt

Als Erster präsentierte Gert Zechner, Gründer der Firma Ponganic, das Projekt, das sein Startup gemeinsam mit der Greiner Gruppe im Grünen Markt realisieren will. Wesentlicher Teil dieses neuen Bauprojektes mitten in Wien ist eine Aquaponik-Anlage, die jährlich etwa 25 Tonnen Fischfilets und 50 Tonnen Gemüse pro Jahr produzieren wird. Beides soll über eine im Gebäude befindliche Markthalle gleich verkauft werden. Kürzere Transportwege gibt es kaum. Das war der ausschlaggebende Grund für Zechner, sich auf das Projekt Grüner Markt einzulassen. „Eine Tomate, die man hier kaufen kann, hat oft schon mehr Kilometer hinter sich, als ich in meinem ganzen Sommerurlaub“, so Zechner. Mit dem Bau wird bereits im Frühling 2017 begonnen.

Sonneninseln für Wien

Etwas hinter dem selbst gesetzten Zeitplan ist hingegen das Projekt Solarstrominsel zurück.  Wien Energie hatte ursprünglich zwei Teams mit einem Briefing beauftragt. Die haben sich aber dann kurzerhand zu einer Gruppe zusammengeschlossen und konnten beim Finalabend schon eine Lösung präsentieren. Mithilfe solcher Solarstrominseln sollen die Wienerinnen und Wiener ihre Smartphones mit an Ort und Stelle produzierter Energie wieder aufladen können. Anschlüsse und Ladekabel für alle gängigen Handys und Tablets werden dort vorhanden sein. Wer keine Zeit hat, sich an den integrierten Sitzgelegenheiten zu entspannen, während das Handy Energie tankt, für den stehen „Powerbanks to go“ zur Verfügung. Diese Akkupacks können die Nutzer mitnehmen, und wenn sie leer sind, an einer der Solarstrominseln zurückgeben. Die Solarstrominsel selbst ist modular aufgebaut, sodass man sie an die örtlichen Gegebenheiten anpassen kann. Außerdem bietet sie Werbefläche und Platz für Pflanzen.

IoT-Box übernimmt das Blumengießen

Mit fünf Lösungen für das eigene Briefing rund um die IoT-Box konnte T-Mobile Austria aufwarten. Rainer Semper, Partnermanager M2M, rief dann die Besucher auf, einen Publikumssieger per SMS-Voting zu küren. Dieses konnte das Team „Smartbeet“ rund um Manfred Czujan und Robert Veselka für sich entscheiden. Das Hochbeet misst mithilfe von Sensoren die Feuchtigkeit der Erde und gibt diese Informationen an die mit Solarstrom betriebene integrierte Elektronik samt IoT-Box weiter. Mit dieser ist dann der Nutzer per Smartphone verbunden und dadurch immer und überall darüber informiert, wie gut es seinen Pflanzen im smarten Hochbeet geht. Die ideale Bewässerung besorgt das System indes ganz von selbst. Abhängig vom Zustand der Erde bzw. des Substrates, der Tageszeit, dem Wetter und anderen Variablen, gießt sich das Hochbeet dank eines im Boden integrierten Wassertanks völlig autonom.

Czujan und Veselka wollen aber nicht nur dieses smarte Hochbeet verkaufen, sondern beschäftigen sich mit Vertical Farming und intelligenter Landwirtschaft, die sich das Internet der Dinge (IoT) zunutze machen.

Mobile Steckdosen und GSM-Schalter

Auch die vier „unterlegenen“ Teams, die der IoT-Box Leben in Form innovativer Anwendungen einhauchten, hatten Beachtliches zu bieten:

  • Michael Hettegger von Craftworks stellte ein Transportmanagementsystem vor, dass die Logistik effizienter macht. Dabei sammeln die Fahrzeuge eines Fuhrparks Daten, wie etwa ihren eigenen Spritinhalt, und geben diese Information über die IoT-Box an eine Cloud weiter. Das System berechnet auf Basis von Daten wie Standorte und Spritpreise von Tankstellen, wo und wann es am effektivsten ist zu tanken. Das System ist dabei so ausgelegt, dass andere Daten mess- und auswertbar sind und dass sich dadurch neue Anwendungsmöglichkeiten ergeben.
  • Mario Prinz (WillStrom) vereint mit seinem Projekt Sensorik, Telekommunikation und Umwelt. Konkret hat er einen Automaten entwickelt, mit dessen Hilfe auch Privatpersonen Strom verkaufen können. Auf einem eigenen Webportal kann der Nutzer genau nachvollziehen, wie viel Strom er verbraucht oder verkauft hat. Das Portal hilft ihm auch bei der Vermarktung. „Wir können unser System sogar für andere Verbrauchsgüter wie etwa Gas anbieten“, so Prinz.
  • Um Energie ging es auch bei Arvey, das Alexander R. Ramseier vorstellte. Er präsentierte einen Prototypen, der die Energieversorgung mobilisiert und den Nutzer von Energieversorgern unabhängig macht. „Wir sind heute nicht mehr an die Steckdose gebunden, sondern können unser System vermieten“, erläuterte Ramseier. Auch hier spielt die IoT-Box eine Schlüsselrolle, ist sie doch das Bindeglied zwischen mobiler Steckdose und der Cloud.
  • Nico Grienauer von Open Trigger präsentierte einen physischen Schalter, der im Web eine Aktion auslöst. Vergleichbar etwa mit dem Dash-Button von Amazon, mit dem sich zum Beispiel ein Waschmittel per Knopfdruck ordern lässt. Die „Open Trigger“ sind untereinander vernetzt und übertragen den Befehl über GSM-Technologie. Das System ist Open-Source, benötigt kein Smartphone, unterstützt die Übertragung auf großen Distanzen und weist eine lange Lebensdauer der Batterie auf, so Grienauer.

‚Zukunft liegt in Kooperationen‘

Zum Schluss dieses Castings zog Semper noch ein Fazit aus Sicht von T-Mobile: „Wir haben viele spannende Applikationen kennengelernt.“ Das Engagement wolle man jedenfalls in Zukunft ausbauen. Denn: „Die Zukunft liegt in der Kooperation zwischen Industrie und Makers.“ Das Team von Smartbeet konnte sich übrigens über ein Fairphone 2 und eine HomeNet Box freuen. Letztere bekamen alle anderen vier Teams ebenso mit auf den Heimweg. T-Mobile werde jedenfalls als nächsten Schritt für die weitere Kommunikation über das Projekt „Industry meets Makers“ sorgen.

App befeuert Bürgerbeteiligung

Das Austrian Institute of Technology (AIT) ging mit ihrem Briefing, mit dem sie beim Industry meets Makers Projekt teilnahmen, neue Wege, wie Stefan Vielgut betonte. Die Zusammenarbeit mit Grex Professional Makers führte die AIT zu einem Prototypen einer Handy-App, mit der die Einwohner einer Stadt an Entscheidungen leichter partizipieren können. Konkret: In einem Beserlpark soll ein Kunstwerk aufgestellt werden – welches, ist noch nicht entschieden. Der User kann sich nun mit seinem Handy an einen bestimmten Ort in diesem Park bewegen und mithilfe von Augmented Reality testen, wie sich die verschiedenen Kunstwerke dort einfügen. Für seinen Favoriten kann er dann abstimmen. Der „hinkende“, weil noch nicht ganz fertige Prototyp, so Dietmar Millinger (Grex), bilde aber schon eine Basis für einen Testbetrieb in Wien.

Infineon ließ Drohnen bauen

Der Rest des offiziellen Abends drehte sich dann ausschließlich um Drohnen. Der österreichische Chip-Hersteller Infineon Austria hatte mehrere Hardwaresets für Quadrocopter an insgesamt 10 Maker-Teams verteilt. Dazu stellte Infineon Basissoftware zur Verfügung, die die Makers verändern und erweitern konnten. Allein diesen Sourcecode auf GitHub öffentlich und somit zur Open-Source-Software zu machen, war für Infineon Austria etwas gänzlich Neues.

Aus Konkurrenten wurde eine Copter Community

Die fertigen Drohnen, Prototypen bzw. Konzepte, die die Maker-Teams, präsentierten, beeindruckten noch mehr. Da war eine Drohne darunter, die dank eines Helium-Luftballons eine sehr lange Zeitspanne in der Luft zubringen konnte. Ein anderes Team präsentierte eine Drohnen-Simulator, mit dem man das gar nicht so leichte Steuern des Fluggerätes erlernen konnte. Ein weiteres Tüftler-Duo arbeitet an einem Tracking-System für den neuen Trendsport Kanu-Polo. Die Projekte aller Teams sind übrigens auf der Site Copter Rocks abrufbar. Günther Wellenzohn, Leiter Innovationsmanagement bei Infineon Austria, resümierte: „Unser Beitrag bei Industry meets Makers ist als Wettbewerb gestartet, aber mittlerweile ist daraus eine Community geworden.“ Eine weitere von vielen überraschenden aber positiven Wendungen, die das Projekt Industry meets Makers nahm.

Fazit: Warum das Industry meets Makers-Finale erst der Anfang ist

Am Ende des Abschlusspräsentationsabends, durch den Philipe Reinisch, von der Initiative IoT Austria führte, meinte die Initiatorin Sandra Stromberger noch: „Das war ein Beginn, ein Experiment. Wir machen auf jeden Fall weiter – wie genau, wissen wir noch nicht.“ Das ist auch gut so. Denn dieser Pilot hat gezeigt, dass in Österreich kluge Köpfe schlummern, die es mit denen aus dem Silicon Valley aufnehmen können. Nur lässt sich die kreative Lösungskompetenz in Kalifornien eben etwas leichter ausleben als in Mitteleuropa.

Die größte Leistung von Industry meets Makers ist wohl die, eine Atmosphäre des Vertrauens zwischen Unternehmen und Tüftlern geschaffen zu haben. Beide Seiten waren recht schnell im wahrsten Sinne des Wortes auf „Du und Du.“ Beide Seiten konnten sich auf Augenhöhe miteinander austauschen. Und von diesem Austausch haben beide Seiten viel: Einerseits völlig neue Ideen, auf die die eigene F&E-Abteilung nie gekommen wäre. Vielleicht den einen oder anderen neuen Mitarbeiter, der per Stelleninserat oder Headhunter nie zu dem Unternehmen gefunden hätte. Auf der anderen Seite eine neue berufliche Perspektive. Oder einfach nur das Gefühl, zu einem neuen Produkt beigetragen zu haben, das in ein paar Jahren dann alle von uns ganz selbstverständlich nutzen.

Kurzum: Industry meets Makers ist etwas Einzigartiges und Besonderes. Denn bei welchem Event bekommt jeder, der die Bühne als Redner oder Preisträger betritt, eine mittels 3-D-Druck hergestellte Kunststoffhand samt ImM-Logo? Diese hat die Österreichische Gesellschaft für 3-D-Druck zur Verfügung gestellt und gleich selbst überreicht. Keine leichte Aufgabe, schließlich wechselten solcherart 40 Hände ihren Besitzer.